Portrait-Cantona

Artist Statement

Meine Kindheit und Jugend in Ostdeutschland verbrachte ich unter Verhältnissen, die von den Gesetzen der damaligen sozialistischen Gesellschaft diktiert wurden, unter dem Eindruck von Sperranlagen und Begrenzung, von der Sehnsucht nach der dahinter sich befindenden freien  kapitalistischen Welt.

Geprägt von dieser Situation begann ich mich schon früh für Geografie, Pläne und  Atlanten zu interessieren, zeichnete Landkarten ab und durchwanderte dabei dieses parallele allumfassende Universum, das sich „der Westen“ nannte. Ich träumte mich hinein über Symbole, Zeichen, Namen und Strukturen und erlebte dabei auch die eigenwillige Faszination der Grenzziehungen, diesen absurden Eingriffen des Menschen in homogene Landschaften, die mir den Zugang versperrten.

Nach 1989 durfte ich diese Grenzen überwinden, voller Freude und Neugier, es galt viel zu erleben und nachzuholen. Dabei kam aber auch später etwas anderes hinzu, eigenartigerweise das schwer zu beschreibende diffuse Gefühl eines Verlustes. Dieser Verlust beinhaltete vor allem das Verschwinden von Geheimnis und Mystik meiner unerreichbaren Länder und Gegenden.

Diese Ambivalenz, das Erinnern an die Gefühle von damals, das Erleben von  unverhofft gewonnener Freiheit vor allem versuche ich seitdem in meinen Bildern zu zeigen und zu konservieren.

Ich verwende dazu neben meiner früheren Beschäftigung mit Geografie auch Material aus meinem vor dem Kunststudium ausgeübten technischen Beruf. Die Schaltpläne, Zeichen und Ströme fließen mit ein in meine Arbeit, sie erweitern meine Ausdrucksmöglichkeiten. Dabei bewege ich mich zwischen Abstraktion und Gegenstandsbezug, Ordnung und Unordnung.

In kleineren Zeichnungen, Skizzen und Entwürfen nutze ich die Möglichkeiten der Aquarell- und Tuschetechnik, übertragen dann in großformatige Ölmalerei. In diesem Spannungsfeld befindet sich auch meine aktuelle Ausrichtung.

Auf der Suche nach Anregungen in der Kunstgeschichte bin ich über die Begegnung mit einem Teil der nordamerikanischen Kunst  fündig geworden, dem Minimalismus, der Allover- Malerei eines Mark Tobey oder Jackson Pollock. Auch die Entdeckung von  Künstlern aus meiner näheren Umgebung, z.B. Carlfriedrich Claus oder Gerhard Altenbourg, spielen eine Rolle auf dieser meiner Forschungsreise durch Topografie und Geometrie, Punkte und Raster, Namen und Zahlen.

Gerhard Wichler